Editorial von Sabine Folie
Dezember 2022
Sabine Folie, Foto © Elodie Grethen
Sabine Folie, Foto © Elodie Grethen

Liebe Freund_innen der Kunstsammlungen der Akademie!

Ein Jahr nach Aufnahme meiner Tätigkeit als Direktorin der Kunstsammlungen ist meine Begeisterung, mit diesen hochkarätigen Sammlungen von Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Glyptothek arbeiten zu dürfen, ungebrochen, und ich und mein Team freuen uns auf die Umsetzung der geplanten Projekte in den kommenden Jahren.

Die neue Programmatik und Ausrichtung mit transhistorischem Schwerpunkt, die in der Ausstellung Das entwendete Meisterwerk. Bilder als Zeitmaschinen zu sehen ist, hat nach einer Laufzeit von einigen Monaten breiten Anklang gefunden. Die Zustimmung ist groß, auch wenn es kontroversielle Meinungen darüber gibt, ob Werke historischer Kunst mit solchen zeitgenössischer Kunstproduktion Allianzen eingehen sollen. Historische Sammlungen können zweifellos für sich bestehen – an einem Ort der Lehre wie der Akademie liegt allerdings der Auftrag und die Sinnhaftigkeit, die Vergangenheit unter dem Brennglas der Gegenwart neu und anders zu denken, auf der Hand. Das Abenteuer, auf das wir uns eingelassen haben, ist lohnend und wir werden es fortsetzen, und zwar in Abwechslung mit Präsentationen unserer Highlights.
 
Noch bis zum 29. Jänner 2023 gibt es Gelegenheit, die verlängerte Ausstellung Das entwendete Meisterwerk. Bilder als Zeitmaschinen zu besuchen. In unserem neuen Format Lektionen / Lessons mit vertiefenden Beschäftigungen zu den Themen der jeweils laufenden Ausstellung laden wir Sie herzlich zu den nächsten Vorträgen ein: am Mittwoch, 18. Jänner 2023 um 18 Uhr halten die Künstlerinnen Anna-Sophie Berger und Teak Ramos ihren performativen Vortrag An Advice Yoe Can Take. Am Donnerstag, 26. Jänner 2023 um 18 Uhr spricht Victor I. Stoichita über Die nervöse Statue. Zur Pygmalion-Ikonographie im 18. Jahrhundert.

Der soeben erschienene Katalog zur Ausstellung Das entwendete Meisterwerk. Bilder als Zeitmaschinen mit Beiträgen von Sabine Folie, Rodney Graham, Sandra Hindriks, Claudia Koch, René Schober, Allan Sekula, Bernhard Siegert und Victor I. Stoichita. ist im Shop der Gemäldegalerie erhältlich, bis zum Jahresende zum Museumspreis von 32 Euro. Seine Aufmachung lädt geradezu ein, ihn als Weihnachtsgeschenk zu erwerben!

Ich freue mich, Ihnen eine Vorschau auf die Ausstellungsprojekte 2023 geben zu können: Im Frühjahr eröffnen die Kunstsammlungen die erste Schau 2023 mit Werken aus der Sammlung der Gemäldegalerie in neuer Konstellation. Willem de Rooij wird in Die Sammlung betrachten & An Insert by Willem de Rooij einen Saal mit besonderem Augenmerk auf eine Werkgruppe innerhalb der Gemäldegalerie – den Tierbildern von Jan Weenix und Melchior d’Hondecoeter – gestalten. Nähere Informationen gibt es in Kürze.
Weiters werden wichtige Werke der Sammlung zu sehen sein, darunter ikonische Meisterwerke wie Tarquinius und Lucretia von Tizian, das Familienbildnis in einem Delfter Hof von Pieter de Hooch oder Boreas entführt Oreithya von Peter Paul Rubens. Das Weltgerichts-Triptychon des Hieronymus Bosch bleibt als nationaler wie internationaler Publikumsmagnet an seinem angestammten Platz in der Galerie.
Das Erscheinen eines umfangreichen wissenschaftlichen Bestandskatalogs zur italienischen, französischen und spanischen Kunst in der Gemäldegalerie ist Anlass, einen weiteren Schwerpunkt der Sammlungsschau auf diese Schulen zu setzen: ab 8. März 2023.

Im Herbst 2023 wird in HISTORY TALES. Fakt und Fiktion im Historienbild der Darstellung von Geschichte und deren Erzählungen in Bezug auf Identität und Nation nachgegangen. Wie stellt sich der Aufstieg und Fall von Zivilisationen in der Geschichte dar, wie wird die Hybris des Menschen in den Historienbildern seit dem 17. Jahrhundert allegorisiert? Und welche Veränderungen erfahren die Darstellungen von Held_innen/Herrscher_innen und einschneidenden historischen Ereignissen seit dem 19. Jahrhundert bis heute mit der Erfindung von Fotografie und Film?
Die Ausstellung untersucht das Historienbild unter einem transhistorischen Blickwinkel und stellt den historischen Sammlungen – Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett, Glyptothek – Werke zeitgenössischer Künstler_innen gegenüber. Dabei wird das Vermögen des Historienbildes, zwischen Fakt und Fiktion zu changieren und Historizität selbst zum Bildgegenstand zu machen, aus heutiger Perspektive beleuchtet.
 
Wir freuen uns auf Ihren Besuch in der Gemäldegalerie.

Mit den besten Wünschen für eine ruhige Weihnachtszeit und das Jahr 2023 verbleiben wir,

Ihre Sabine Folie
Direktorin der Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien
mit dem Team der Kunstsammlungen